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12. August 2025
Bundesarbeitsgericht stärkt den Kündigungsschutz für Schwangere

Eine Frau ist unbemerkt schwanger, als ihr gekündigt wird. Als ihr Arzt die Schwangerschaft bestätigt, ist die Frist für eine Kündigungsschutzklage bereits verstrichen. In diesen Fällen ist die Klage aber nachträglich zulässig, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Sitz in Erfurt.
Mit Urteil vom 3. April 2025 (Az.: 2 AZR 156/24) hat das oberste deutsche Arbeitsgericht entschieden, dass eine verspätete Kündigungsschutzklage einer schwangeren Arbeitnehmerin, die schuldlos erst nach Ablauf der Klagefrist gemäß § 4 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) von ihrer bereits zum Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens bestehenden Schwangerschaft erfährt, auf Antrag der Arbeitnehmerin nachträglich zuzulassen ist. So sieht der § 4 S. 1 KSchG grundsätzlich vor, dass Klagen gegen Kündigungen innerhalb von drei Wochen, nachdem die schriftliche Kündigung zugegangen ist, erhoben werden müssen. Im vorliegenden Fall verpasste die Klägerin diese Frist.
Die Arbeitnehmerin war bei der Beklagten als Behandlungsassistentin in einer Arztpraxis im Bereich der Augenheilkunde angestellt. Die Beklagte kündigte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht zum 30. Juni 2022. Das Kündigungsschreiben wurde der Klägerin am 14. Mai 2022 zugestellt. Am 29. Mai 2022 führte die Klägerin einen Schwangerschaftstest durch, der positiv ausfiel. Sie bemühte sich sofort um einen Termin beim Frauenarzt, den sie jedoch erst am 17. Juni 2022 erhielt. Am 13. Juni 2022 reichte die Klägerin eine Kündigungsschutzklage ein und beantragte deren nachträgliche Zulassung. Am 21. Juni 2022 legte sie dem Arbeitsgericht ein ärztliches Zeugnis vor, das eine am 17. Juni 2022 festgestellte Schwangerschaft in der „ca. 7+1 Schwangerschaftswoche“ bestätigte. Ihr Mutterpass wies als voraussichtlichen Geburtstermin den 2. Februar 2023 aus, was bedeutete, dass die Schwangerschaft am 28. April 2022 begonnen hatte (Rückrechnung vom mutmaßlichen Entbindungstermin um 280 Tage).
Nach Auffassung ihres Arbeitgebers hatte die Frau aber noch während der offenen Klagefrist Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt – und zwar durch den positiven Schwangerschaftstest. Nunmehr sei die Klage verfristet.
Sowohl die beiden Vorinstanzen als auch das BAG sahen das jedoch anders: Zwar sei die Klagefrist nicht gewahrt worden. Die Klage sei aber in diesem Fall nachträglich zuzulassen. Denn die Arbeitnehmerin habe erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung Kenntnis davon erlangt, dass sie schwanger war, als ihr gekündigt wurde. Der Schwangerschaftstest habe diese Kenntnis nicht vermitteln können. Ihr sei außerdem nicht anzulasten, dass sich der Arzttermin verzögert habe.
Ärztliche Feststellung einer Schwangerschaft ist entscheidend
Entscheidend für den Fristbeginn bei derartigen verspäteten Klagen sei die ärztliche Feststellung der Schwangerschaft, so ein Gerichtssprecher. Schwangere hätten ab diesem Zeitpunkt zwei Wochen Zeit für den Gang zum Arbeitsgericht. In diesem Rahmen wurde die Kündigung durch das Erfurter Urteil wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuschG) für unwirksam erklärt.
Jessica Mathieu
Ursprünglich veröffentlicht unter https://www.dpvkom.de
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