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19. August 2025
Krank wegen Tattoo? Arbeitgeber muss nicht zahlen!

Eine Arbeitnehmerin lässt sich tätowieren und ist anschließend wegen einer Entzündung arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber verweigert ihr die Lohnfortzahlung. Das war rechtmäßig, bestätigt nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 22. Mai 2025 (Az. 5 Sa 284 a/24).
Tätowierungen sind längst ein fester Bestandteil moderner Lebensrealitäten – auch in der Arbeitswelt. Ob im Büro, im Krankenhaus oder im Handwerk: Körperkunst gilt als Ausdruck der Persönlichkeit und der freien Lebensgestaltung. Doch das aktuelle Urteil des Landesarbeitsgerichts zeigt: Kommt es nach einer freiwilligen Tätowierung zu gesundheitlichen Komplikationen, kann der Anspruch auf Lohnfortzahlung entfallen.
Entzündung nach Tätowierung führte zu Krankschreibung
Im verhandelten Fall ließ sich eine Beschäftigte in der Pflegebranche in ihrer Freizeit ein Tattoo auf dem Unterarm stechen. Infolge einer Entzündung der betroffenen Hautstelle wurde sie arbeitsunfähig geschrieben. Die Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung für den Zeitraum der Krankschreibung. Die Beschäftigte machte geltend, es handele sich um eine seltene Komplikation, die nicht vorhersehbar gewesen sei. Sie betonte, dass Tätowierungen heutzutage weit verbreitet und Ausdruck der privaten Lebensführung seien.
Anders sah das ihr Arbeitgeber. Er verwies darauf, dass die Frau schließlich beim Tätowieren in eine Körperverletzung eingewilligt habe. Das Risiko einer anschließenden Infektion habe sie damit zu tragen. Ein normales Krankheitsrisiko stelle die Infektion jedenfalls nicht dar. Mit dieser Argumentation hatte der Arbeitgeber bereits in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Flensburg obsiegt (Urteil vom 24. Oktober 2024 - 2 Ca 278/24).
Das LAG sah in der freiwilligen Tätowierung eine bewusst in Kauf genommene Gesundheitsgefährdung. Zwar sei eine Arbeitsunfähigkeit zweifellos gegeben gewesen – dennoch fehle der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), wenn die Erkrankung durch ein Verhalten verursacht wurde, das einen groben Verstoß gegen das eigene Gesundheitsinteresse darstellt.
Die Klägerin selbst habe angegeben, dass entzündliche Reaktionen bei Tätowierungen in etwa 1 bis 5 Prozent der Fälle auftreten können. Diese Komplikation sei daher weder außergewöhnlich noch unvorhersehbar. Aus Sicht des Gerichts handelte es sich um ein vermeidbares Risiko, das bewusst eingegangen worden sei.
Zur Verdeutlichung verwies das Gericht auf Definitionen im medizinischen Bereich, wonach eine Nebenwirkung bereits dann als „häufig“ gilt, wenn sie bei über ein Prozent der Fälle auftritt. Damit wurde der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im konkreten Fall verneint. Verschulden im Sinne des EFZG, so die Richter, sei dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstoße. Die Klägerin hätte damit rechnen können, dass sich ihr Tattoo entzündet. Fünf Prozent der Fälle lasse nicht auf eine völlig fernliegende Komplikation schließen, so das LAG.
Das LAG ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zu. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.
Freiwillige Eingriffe können arbeitsrechtliche Konsequenzen haben
Das Urteil verdeutlicht, dass freiwillige medizinische oder körperverändernde Eingriffe in der Freizeit – unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz – bei Komplikationen arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können. Beschäftigte sollten sich der möglichen arbeitsrechtlichen Folgen bewusst sein, wenn sie Maßnahmen ergreifen, die ein gesundheitliches Risiko bergen.
Jessica Mathieu
Ursprünglich veröffentlicht unter https://www.dpvkom.de
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